von Anton Ladner
In den vergangenen zehn Jahren kam es jedoch bei den Kürbiskernen zu einer Verlagerung von der Therapie zum Genuss. Geröstete Kerne setzen neue Akzente auf dem Teller und Kürbiskernöl sorgt für neue Geschmacknuancen. Und auch das Fruchtfleisch fand breiten Einzug in die Küche − im Salat, in der Suppe, im Kuchen oder auch als Konfitüre. Kürbisse bleiben zudem lange frisch, in einem kühlen Keller lassen sie sich gut während Monaten lagern.
Die Wildkartoffel, die laut Funden in Chile wohl 13 000 Jahre alt ist, also 5000 Jahre älter als der Urkürbis, stammt wie er ebenfalls aus der Gegend von Bolivien bis Argentinien (vgl. erster Teil dieser Serie). Von der heute global omnipräsenten Kartoffel werden weltweit jährlich 377 Millionen Tonnen produziert. Davon deckt China knapp 100 Millionen Tonnen ab. Im Vergleich dazu liegt die weltweite Kürbisproduktion mit knapp 27 Millionen Tonnen, nur 14 Mal weniger als bei Kartoffeln, auf einem beachtlichen Niveau. Auch bei den Kürbissen liegt China mit 7,84 Millionen Tonnen ganz vorne, gefolgt von Indien und – man staune – Russland und der Ukraine. Erst dann folgen die Vereinigten Staaten mit einer Million Tonne Kürbisse, obschon an Halloween und am Erntedankfest Thanksgiving in den USA nichts ohne Kürbisse geht. An Halloween leuchten geschnitzte Kürbisgesichter an den Fenstern und vor den Türen. Ein Brauch, der von den Iren mitgebracht wurde und auf die keltischen Druiden als «All Hallows Eve», als Abend vor Allerheiligen, zurückgeht.
Kürbisöl
Der Anbau von Ölkurbissen, aus denen das Kürbiskernöl gewonnen wird, liegt derweil fest in österreichischen Händen. Weltweit werde auf gut 100 000 Hektar Ölkurbisse angebaut, deren Fluchtfleisch nicht geniessbar ist. Davon entfallen 40 Prozent auf Österreich und weitere gut 40 Prozent auf Osteuropa. Vor allem in der Küche der Steiermark sind die Kürbiskerne und deren Öl sehr verbreitet. Da werden auch mit Kürbiskernen panierte Schnitzel serviert.
Der Kürbisanbau in Europa ist gut 400 Jahre alt, wobei die Kulturpflanze lange nur für die Nutzung der Kerne und zur Tierfütterung erfolgte. Das Fruchtfleisch schmeckte bitter und galt deshalb als ungeniessbar. Später kamen die Kürbisse auch auf die Teller, hatten aber sehr lange das Image einer Arme-Leute-Küche. In der Landwirtschaft werden heute vor allem der Riesenkürbis und der Gewöhnliche Kürbis, auch Garten- oder Speisekürbis genannt, angebaut. Was in den vergangenen zehn Jahren bei der Ausdehnung der Anbaufläche der Schweiz zu beobachten war, ist ein Trend in Europa.
In Deutschland hat sich zum Beispiel die Anbaufläche auch von 1217 auf 3485 Hektar verdreifacht (in der Schweiz liegt sie derzeit bei knapp 400 Hektar). Die grosse Nachfrage hat natürlich die Züchtung neuer Kürbissorten, sogenannte Hybridsorten, begünstigt. Dabei stehen der frühzeitige Fruchtansatz und die Resistenz gegen Befall mit Pilzen (Mehltau usw.) im Vordergrund.
Hybridsorten sind Kreuzungen, um gezielt diese Pflanzeneigenschaften zu erzielen. Aber die dadurch neu gewonnenen Pflanzen tragen die erzielten Eigenschaften nicht in ihrem Erbgut. Die Samen der gekreuzten Pflanze eignen sich nicht für einen weiteren Anbau. Eine Kreuzung, um eine nachhaltige neue Sorte hervorzubringen, benötigt fünf bis sechs Jahre. Was viele nicht wissen: Die Zucchini, in der Schweiz auch Zucchetti genannt, sind eine Unterart des Gartenkürbisses, werden aber heute nicht mehr als Kürbis wahrgenommen, sondern als Vierjahreszeitengemüse. Aber Kürbisse sind keine Gemüse, sondern Beeren, deshalb werden sie auch manchmal als Panzerbeeren bezeichnet. Gurken und Melonen gehören ebenfalls zu den Kürbissen.
Auffallend ist, dass sich je nach Anbauland sehr unterschiedliche Ertragsmengen ergeben. In Spanien ist zum Beispiel der Ertrag von 48 Tonnen pro Hektar zwölf Mal grösser als in der Türkei, wo 4,5 Tonnen pro Hektar eingefahren werden. Das hängt nicht nur mit der Bodenbeschaffenheit zusammen, Kürbisse mögen sandigen Lehm, der sich schnell erwärmt und ein hohes Wasserhaltevermögen hat. Die Erntemenge hängt vor allem vom Dünger ab, der das Geheimnis für grosse Kürbisse ist.
Der dritte Teil dieser Serie leuchtet aus, auf was alles Züchter setzen, die an Wettbewerben teilnehmen, um die schwersten Kürbisse zu erzielen. Aber auch hier gilt: Je grösser die Beere, desto ärmer das Aroma. Denn die Giganten bestehen zu 95 Prozent aus Wasser, das ab einem bestimmten Gewicht im wahrsten Sinne des Wortes das Aroma verwässert.