Neues Jagdgesetz: Angriff auf den Artenschutz
Am 27. September entscheidet das Stimmvolk über das neue Jagdgesetz. Natur- und Tierschutzverbände haben das Referendum gegen die ihrer Ansicht nach missratene Gesetzesrevision ergriffen. Denn mit dem neuen Jagdgesetz wird der Artenschutz ausgehöhlt. Anstoss zur Gesetzesrevision gab 2014 die «Motion Engler». Ziel war die Regulierung von Wolfsrudeln, die geschützte Herden attackieren oder Menschen gefährlich werden. Eine Teilrevision der Jagdgesetzgebung hätte genügt, um die Motion zu erfüllen. Doch es kam anders: Der Entwurf des Bundesrats enthielt nicht weniger als 23 Anpassungen am Gesetz, die weder gefordert noch diskutiert worden waren und neben dem Wolf viele andere geschützte Tierarten betreffen.
Gemäss dem neuen Gesetz können geschützte Tiere «auf Vorrat» abgeschossen werden – also ohne dass sie je Schäden angerichtet hätten. Geschützte Arten dürfen in ihrem Bestand dezimiert werden, einfach weil es sie gibt. Über die Eingriffe muss nicht mehr der Bund entscheiden, sondern jeder Kanton regelt den Umgang mit geschützten Tierarten selbst. Der Wolf wird zu einer quasi jagdbaren Tierart, die jedes Jahr zwischen September und Januar verfolgt werden kann. Aber es geht nicht nur um den Wolf, denn der Bundesrat kann jederzeit weitere, eigentlich «geschützte» Tierarten (z. B. Luchs, Biber, Fischotter, Graureiher) auf seine Abschussliste setzen. Wölfe sollen künftig sogar in Wildtierschutzgebieten erlegt werden können!
Störende Wildtiere einfach abzuschiessen, das ist eine Scheinlösung, die von grossen Teilen der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert wird. Es gibt heute keinen Winkel mehr auf diesem Planeten, wo wilde Tiere ihre Ruhe vor uns Menschen haben. Notgedrungen passen sich daher auch grosse Wildtiere wie Wolf und Bär an unsere Kulturlandschaft an – was zu Konflikten führen kann. Gerade angesichts der globalen Biodiversitätskrise sind wir daher gefordert, nachhaltige Lösungen für das Zusammenleben mit diesen Tieren zu finden – denn auch sie haben ein Existenzrecht. An Massnahmen wie Herdenschutz gegen den Wolf oder Ausscheidung von unverbauten Gewässerräumen für den Biber führt kein Weg vorbei. Das neue Jagdgesetz jedoch sabotiert diese Bemühungen und verspricht mit dem erleichterten Abschuss eine vermeintlich einfache Lösung.
Birdlife Schweiz, Gruppe Wolf Schweiz, Pro Natura, WWF Schweiz und zooschweiz haben das Referendum gegen das neue Jagdgesetz ergriffen. Unterstützt werden sie von Tierschutzvereinen, Forstkreisen, JägerInnen, WissenschafterInnen, der Grünen und Grünliberalen Partei sowie der SP. Auch einige bürgerliche PolitikerInnen unterstützen das Nein. Nur mit einem Nein am 27. September kann der Schutz von Wolf, Luchs, Biber, Graureiher und Co. gesichert werden.
Sara Wehrli ist Geografin und Naturschutzbiologin sowie Verantwortliche für grosse Beutegreifer und Jagdpolitik bei der Naturschutzorganisation Pro Natura.